Mit einer einfachen Blutentnahme auf Tumoren zu testen, wäre nicht nur wissenschaftlich und medizinisch, sondern möglicherweise auch wirtschaftlich interessant, schreiben Dr. Dominik Paul Modest und Professor Volker Heinemann in einem aktuellen Beitrag zum Nutzen von Tumormarkern für die Früherkennung. So könnte für betroffene Patienten „eine Blutentnahme anstelle der bestehenden Techniken die Vorsorge erleichtern. Dies wiederum könnte die Akzeptanz der Vorsorge-Untersuchungen in der Bevölkerung erhöhen“, so die Onkologen vom Klinikum der Universität München. Doch wie in anderen Fachgebieten, etwa der Psychiatrie und Neurologie, sind Blut-Biomarker für ein generelles Screening auch in der Onkologie noch überwiegend „Zukunftsmusik“.
PSA-Test: verfügbar, aber „nicht ideal“
Beim Prostata-Karzinom gibt es mit dem PSA bereits einen solchen Marker. Über den Nutzen des PSA-Tests wird allerdings seit Jahren gestritten. Das bekannte Problem: Ein generelles PSA-Screening trage zwar zu einer um 30 Prozent reduzierten Mortalität bei, aber der „Preis“ dafür sei eine mehr als 50-prozentige Rate an Überdiagnosen und Übertherapien, erklärt der Düsseldorfer Urologe Dr. Christian Arsov. Der PSA-Test sei nicht ideal, so auch die Urologin Dr. Annabel Spekvon der Universität München. Weltweit seien sich daher „die Experten nicht einig darüber, ob es sinnvoll ist, eine generelle Empfehlung zur Messung des PSA-Wertes als Screening-Methode zur Früherkennung auszusprechen und umzusetzen“. Eine Option sei möglicherweise ein „risikoadaptiertes PSA-Screening“ mit Screening-Intervallen in Abhängigkeit von der individuellen Höhe des Baseline-PSA-Wertes, berichtet Arsov. Dieses Konzept werde derzeit in der multizentrischen prospektiven PROBASE-Studie mit 50 000 Männern geprüft.
SEPT9-Test auf Darmkrebs: frühestens in einigen Jahren
Zu jenen Malignomen, bei denen ein einfacher Bluttest vor allem auf Tumor-Vorstufen wertvoll wäre, zählt das kolorektale Karzinom (KRK). Mit der Koloskopie gibt es hier zwar eine effektive Methode zur Früherkennung. Das Verfahren ist in der Bevölkerung jedoch nicht gerade beliebt. Aus diesem Grund hoffen Gastroenterologen wie Professor Frank Thomas Kolligs vom Helios Klinikum Berlin-Buch unter anderem auf einen Test, der verlässlich jene DNA nachweist, „die aus Adenomen und frühen KRK-Stadien ins Blut freigesetzt wird“. Dieser würde, so Kolligs, „bei geringster Belastung für den Patienten Personen selektieren, die mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Koloskopie einen relevanten Befund aufweisen“. Derzeit würden verschiedene Blut- und auch Stuhltests entwickelt. Am weitesten fortgeschritten ist laut Kolligs der SEPT9-Test. Er weise die methylierte DNA des Septin-9-Gens im Blut nach, die spezifisch für Darmkrebs sei. Dieser Test habe bei kolorektalen Karzinomen eine Sensitivität von 48 Prozent und für fortgeschrittene Adenome von elf Prozent; die Spezifität liege bei über 90 Prozent. Unbeantwortet bleibe „aktuell die Frage, wie man mit dem Befund eines positiven SEPT9-Tests bei negativer Koloskopie umgehen soll“.Außerdem: Dieser Test dürfte, falls er sich als geeignet erweise, „frühestens in einigen Jahren verfügbar sein“.
Interessante Ansätze: MicroRNA, Antigene, Exosomen
Geduld ist generell angesagt, geht es um einfach zu bestimmende Marker zum Screening auf häufige Tumoren und vor allem ihre Vorstufen. Immerhin gibt es einige interessante Ansätze, wie Modest und Heinemann berichten.
Beispiel MicroRNA. Das sind kurze Steuergene, die den Stoffwechsel der Krebszellen regulieren. Solche nicht-kodierenden MicroRNAs, die man im peripheren Blut stabil nachweisen könne, würden derzeit bei einigen Tumorarten als potenzielle Tumormarker diskutiert – auch zum Screening.
Auch Antikörper gegen tumorassoziierte Antigene wie p53, CEA und RELT (receptor expressed in lymphoid tissues) könnten sich zur Früherkennung eignen. Bisherige Untersuchungen hätten „bei individuell ermittelten Grenzwerten weitgehend konstant hohe Spezifitäten“ ergeben, bei allerdings „teilweise sehr niedriger Sensitivität“. Dieser Nachteil lasse laut Modest und Heinemann „einen Screeningeinsatz als noch nicht erfolgversprechend erscheinen“. Er konnte jedoch in einigen Arbeiten durch die Bildung von Kombinations-Panels teilweise wettgemacht werden“.
Ein weiterer Ansatz: Tests, die zellfreie DNA von Tumorzellen nachweisen. Zellfreie DNA könne zwar bei jedem Menschen nachgewiesen werden, erklären die beiden Wissenschaftler. Bei Krebs-Patienten sei die Menge an zellfreier DNA aufgrund eines höheren Zellumsatzes und Sterben der Tumorzellen möglicherweise erhöht. Diese zellfreie DNA enthalte „die gleichen Informationen wie der Tumor, so dass sie prinzipiell zur Diagnostik dienen kann“. Ob allerdings zellfreie DNA in der „Früherkennung von Rezidiven oder im Screening der Bevölkerung zum Einsatz kommen kann, ist derzeit noch offen“.
Große Erwartung setzt die Forschung derzeit in tumorspezifische Exosomen: Das sind kleine Membrankügelchen (Vesikel), die sich von den Tumorzellen abschnüren und dann im Blut nachweisbar sind. „Kürzlich konnte gezeigt werden, dass diese Exosomen bei Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse, für die es bisher keine Früherkennung gibt, sehr früh im Blut nachweisbar sind“, so Modest. Ein Nutzen-Nachweis in einem realen Screening stehe jedoch noch aus.
Frühe Diagnose nur das Omega
So wünschenswert einfach zu bestimmende und zuverlässige Tumor-Marker für die Krebs-Vorsorge auch sind: Eine frühzeitige Diagnose ist ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt. Denn die beste Früh-Diagnose ist relativ wenig wert, wenn es selbst für Patienten im Frühstadium keine Chance auf eine Heilung oder zumindest relevante Prognose-Verbesserung gibt.
Und sicher diskutabel wäre der Einsatz von Tumormarkern, wenn die untersuchte Krebs-Erkrankung „in höheren Stadien entweder nicht tödlich oder bedrohlich verläuft oder heterogene Verläufe zeigt“. Dann, so Modest und Heinemann, erscheine „die Behandlungsindikation als Konsequenz der Früherkennung nicht absolut“. Anders formuliert: Nicht bei jedem Patienten mit einem solchen Tumor und positivem Laborbefund müsste sofort und unbedingt das Skalpell gezückt und eine belastende und kostspielige medikamentöse Therapie eingeleitet werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen